Ismars Strafe

An diesem Wochenende war Monatsmarkt. Ismar mochte diese Tage, anders als bei den üblichen Wochenmärkten kamen auch Handwerker und Händler, die seltener die Burg aufsuchten. Einige kannten Ismar und unterhielten sich gerne mit ihm. Vielleicht lag es auch daran, dass er nicht selten etwas kaufte, wenn es ihn faszinierte, aber auch seine Neugier und sein ehrliches Interesse schienen sie an ihm zu schätzen. Seine Begeisterung war umso größer, je weniger er von etwas verstand. Das Wissen, das er hier erlangte, war anders als das, was ihm sein Hauslehrer vermittelte, auch wenn er diesen bisweilen um Erklärungen bat, die über das Wissen der einfachen Leute hinaus ging.
Wohlgelaunt sah Ismar dabei zu, wie die Einzelnen ihre Stände aufbauten oder hektisch ihren Platz suchten oder gegen aufdringliche Platzneider zu verteidigen versuchten. An etlichen Stellen brachen kleine Raufereien aus, doch im schlimmsten Fall reichten wenige Worte der Stadtwachen, die an diesem Tag vermehrt patrouillierten, um Streitereien zu beenden und dafür zu Sorgen, dass einer der Streithähne weiter zog, wenn auch mit einer Faust in der Tasche.
Plötzlich hörte Ismar eine aufbrausende Stimme toben. Es war kein Streit, sondern reines Geschimpfe. Es war nicht weit entfernt, aber Ismar musste seine Stellung auf der Mauer aufgeben um es sich anzusehen. Er konnte Geschimpfe nicht ausstehen. Wenn zwei sich stritten, war es ihm egal, aber bei Geschimpfe gab es immer einen, der sich nicht wehren konnte.
Ismar kletterte an einem kleinen Wachturm vorbei und eilte in geduckter Haltung westwärts und verließ damit die Hauptmarktstraße. Es war Ells Vater der mit seiner Tochter schimpfte. Ell ließ es wie selbstverständlich über sich ergehen und mühte sich vergebens ab, ihre Hühner zusammen zu treiben. Doch nun da sich Hektik unter diese gemischt hatte, versuchten sie in alle Richtungen zu fliehen und sich unter irgendwelchen Gegenständen zu verstecken. Das Geschreie war wenig förderlich Ells Bemühen, die Hühner beisammen zu halten oder gar zu fangen, zu unterstützen. Dabei schrie er Ell genau deshalb an, da er weiter zu ihrem Standplatz wollte. Doch als wäre Ell mit einem Fluch belegt, stob ihr Gefieder entgegen ihrer Natur immer wieder auseinander, wenn sie die sieben Hühner zusammen getrieben hatte.
Ismar konnte sich das Schauspiel nicht länger anschauen. Er ließ sich hinter einem Stand die Mauer hinabgleiten. Als er hinter einer fülligen Marktdame hervortrat, schrie diese erschrocken auf und verschaffte ihm mehr Aufmerksamkeit als beabsichtigt.
Er versuchte sich zu entschuldigen, doch die Frau wollte davon nichts wissen und drohte ihm in teilweise gespieltem Ärger für das nächste Mal Schläge an.
Mit einer wohlgeübten Unschuldsmiene empfahl er sich und stellte sich zwischen Ell und ihren tobenden Vater.
„Warte, ich helfe dir.“ Ismar ignorierte, dass ihr Vater ihn nun in seine Flüche mit aufnahm. Ell war leicht verzweifelt und sah ihn resignierend an.
Ismar zögerte nicht lange und hatte alsbald das erste Huhn gefangen, das sich eben unter einen der Wagen stehlen wollte. Er ging damit zu Ell und reichte es ihr mit den Füßen nach oben. Ihr Vater stemmte die Hände in die Seiten seines dicken Bauches und blickte mürrisch drein. Statt zu schreien, begnügte er sich damit, ungeduldig zu atmen. Ismar fing ein Huhn nach dem anderen ein, um es Ell zu geben. Ismar fing etliche Verwünschungen ein, weil er anderen Marktteilnehmern in die Quere kam. Es war Ell unangenehm nicht helfen zu können, doch mit den Hühnern in der Hand, war es ihr nicht möglich. Ebendies war ohnehin ihr Dilemma gewesen. Es war schier unmöglich alleine sieben Hühner einzufangen und gleichzeitig festzuhalten. Jeder, insbesondere ihr Vater, musste das wissen.
Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht, brachte Ismar endlich das siebte Huhn. Doch da wurden die Hühner unruhig und flatterten selbst mit dem Kopf nach unten hängend wild umher. Das war sonderbar, dann normalerweise taten Hühner das nie. Plötzlich stöhnte Ell schmerzhaft auf und ließ eine Hand los. Ihr Vater schrie auf und wollte sie schlagen, doch Ismar ging dazwischen und fing unfreiwillig die Ohrfeige an ihrer statt ein. Verdutzt blieb ihr Vater stehen und stotterte etwas Unverständliches zusammen. Er wusste nur zu gut, wer er war. Ismar wendete sich Ell zu und wollte fragen, was los war als er sah, dass ihr Arm blutete. Gleich darauf traf auch ihn ein Stein, der eigentlich für Ell oder ihre Hühner gedacht war. Ismar drehte sich wütend um und erkannte Mauricius, wie er auf dem Dach eines niedrigen Hauses hockte und seine Steinschleuder auf sie gerichtet hielt.
„Hey du Dumpfbacke, komm da runter, du feiger Hund!“, schrie Ismar ihn an.
„Komm doch hoch, wenn du dich traust.“ Der Junge streckte ihm die Zunge raus und hielt sich für den Größten.
„Na warte, dir werde ich noch Manieren beibringen!“ Mit diesen Worten nahm Ismar Anlauf und war in drei Zügen auf dem Dach, wo er dem verdutzten Mauricius gegenüber stand.
Ismar nutzte dessen Überraschung und entriss ihm gleich die Schleuder. Der Junge war stärker als Ismar doch Ismar war flinker und wusste die Bewegungen seines Gegenübers zu seinem Vorteil zu nutzen. Bald lag Mauricius flach auf dem Dach mit einem Arm hinter dem Rücken.
„Komm da runter“, schrie eine Männerstimme.
Ismar blickte verwundert runter und sah dort den Burgherren stehen, seinen Vater. Ismar schluckte kräftig und stand sogleich auf und gab Mauricius frei. Ohne zu zögern ging Ismar auf dem Dach nach vorne, da er wusste, dass alles Zögern die Konsequenzen nur noch schlimmer machen würde.
Er wollte eben hinabspringen, als er hörte dass Mauricius auf ihn zulief. Im letzten Moment duckte sich Ismar und sprang zur Seite. Mit dem Schwung mit der er Ismar hinab stoßen wollte, fiel Mauricius herunter. Schmerzhaft landete er auf allen Vieren und begann gleich zu weinen. Ismar beeilte sich hinab.
„Sei still und verschwinde du hinterhältiger Hund. Das geschieht dir nur recht!“
Ismar stellte sich aufrecht vor seinen Vater, so wie dieser es ihn gelehrt hatte. Als Dank empfing er eine derbe Ohrfeige, die sogar Ells Vater zusammenzucken ließ. Vielleicht lag es auch nur an seinem schlechten Gewissen.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du dich nicht herumprügeln sollst.“
Ell stellte sich neben den Burgherren und wollte es wagen ihm zu wiedersprechen. Ismar schüttelte rasch den Kopf und drückte sie zur Seite.
„Verzeiht Vater, ich war unartig. Last mich helfen dem Mädchen ihren Schaden gutzumachen, sie hat drei ihrer Hühner verloren.“
Der Burgherr wank einen Mann zu sich.
„Zahle dem Mädchen für ihre drei Hühner und verdoppele es für den Schreck, den es erlitten hat.“
Ell bedankte sich mit einem ungeübten Knicks. „Vielen Dank Herr, ihr seid zu gnädig.“
„Ein Mann hat sich ehrenhaft zu benehmen. Es soll nicht euer Schaden sein, wenn mein Sohn sich nicht zu benehmen weiß.“
Ell knickste vorsichtshalber gleich noch einmal und nahm mit großen Augen die Zahlung des Schatzmeisters entgegen. Sie hatte in ihrem Leben noch keine so teuren Hühner besessen, als sie nun bezahlt bekam. Selbst Ells Vater machte große Augen und sah sich auch zu Dank verpflichtet und verneigte sich ungelenk.
„Du wirst deine Schuld abarbeiten, Ismar!“ Sein Vater erhob die Stimme, so dass es jeder im Umkreis gut verstehen konnte. „Du gehst in den Stall die Pferde missten und du wirst solange deine Dienste anbieten, bis die Schuld beglichen ist. Es sind nicht die Steuerzahler, die für deinen Unfug einstehen müssen.“ Mit diesen Worten verließ der Burgherr den Schauplatz.
„Warum hast du deinem Vater nicht die Wahrheit gesagt?“, fragte Ell ungläubig.
„Weil sie ihn nicht interessiert hätte. Es gibt Väter die strafen lieber als zu verstehen.“ Ein Seitenblick ließ Ells Vater verstehen, wer gemeint war. Dieser stand unbeholfen umher, da er wusste, dass Ismar an diesem Tag zweimal wegen seiner Tochter ungerechtfertigt Ohrfeigen bezogen hatte.
„Komm wir müssen uns beeilen die Hühner einzufangen, bevor sie wirklich verschwunden sind.“ Ismar versuchte die verschreckten Hühner einzufangen und diesmal half ihm gar Ells Vater.
Doch sie fanden nurmehr zwei der drei Fehlenden. Das Dritte würde wohl einen glücklichen Dieb sättigen. Ells Vater wollte ihm die zwei Hühner geben, da er sie schließlich auch bezahlt hatte, aber Ismar lehnte ab, und ließ sich stattdessen das Versprechen geben, dass er Ell fortan gerecht behandeln sollte. Ismar war sich nicht sicher, dass es etwas helfen würde, aber er war gewillt an das Gute im Menschen zu glauben.
„Die Strafe wird mir nicht schaden“, verabschiedete sich Ismar selbstbewusst und verschwand in der gaffenden Menge.
Es war längst nicht die erste Strafe dieser Art. Sein Vater verabscheute Gewalt und unnütze Strafen. Eine Ohrfeige war das Höchstmaß an körperlicher Pein, die Ismar ertragen musste, doch selbst dies kam nur selten vor und meist nur bei einem großen Publikum, wie an diesem Tag. Obwohl Ismar erst zehn war, gab es nurmehr wenige Arbeiten bei denen er noch keinen Strafdienst geleistet hatte. Das interessante an diesen Strafen war, dass er sich diese selbst aussuchen durfte, diesmal mit Ausnahme des Stallmistens, was eine der Lieblingsstrafen seines Vaters war. Doch das störte Ismar nicht. Er mochte Casper und Michel beide gut leiden und einer der beiden war meist in den Ställen. Sie erlaubten ihm bisweilen gar den Pferde das Fell zu striegeln oder sie am Zügel auszuführen. Obwohl die Arbeit des Stallmistens hart war, mochte es Ismar so nah bei den Pferden zu sein. Dass das ganze Strafe sein wollte, erheiterte ihn dabei nur. Ohnehin half er hier, wie auch woanders mehr, als er sich durch Strafen als Pflicht einhandelte. Doch nur im Falle einer Strafe tauschte er seine Dienste gegen Geld. Üblicherweise tauchte er es gegen kleine Kunstwerke oder Lehrstunden. Beim Schmied beispielsweise hoffte er mit 17 ein eigenes Schwert zu erlangen, aber das konnte er mit bloßer Arbeit nicht erreichen. Doch zum Glück wusste Haman, der Schmied, es zu schätzen, dass Ismar ihm das Rechnen und in Ansätzen das Schreiben beibrachte. Das war weit mehr Arbeit als Ismar es sich hätte vorstellen können, denn ihm selbst bereitete das Rechnen keinerlei Mühe. Doch so geschickt Haman mit dem Eisen umging, so ungeschickt stellte er sich mit Zahlen an. Nicht selten bezeichnete er es gar als Hexenwerk, kurz bevor er die Lehrstunde abbrach. Aber Ismar hatte ihn mehrmals davor bewahrt über den Tisch gezogen zu werden und so willigte er immer wieder ein, doch weiter zu üben.
An diesem Tag hatte Ismar allerdings wenig Glück. Michel kam der Arbeit nicht hinterher. Wegen des Monatsmarktes war der Stall zum Bersten gefüllt, ebenso drinnen, wie auch draußen die überdachten Flächen. Sogar einige störrische Esel wollten gefüttert werden und zu allem Übel war Caspar ausgefallen, weil ein junger Hengst in der Unruhe ausgetreten und ihn getroffen hatte. Dabei konnte Caspar sich noch glücklich schätzen. In drei Tagen würde er wohl wieder stehen können, aber auf Wochen würde er keine schwere Arbeit verrichten können.
Michel war völlig damit ausgelastet, die Pferde notdürftig zu versorgen und den Reitern ihre Pferde abzunehmen oder zu geben, wenn sie die Stadt verließen. An Ausmisten war nicht zu denken, auch wenn ihm zwei ältere Männer halfen. Dementsprechend viel war für Ismar zu tun und Michel war mehr als froh über seine Hilfe. Bis in den späten Nachmittag füllte Ismar die Karren, die die Gehilfen dann hinaus fuhren. Gegen Ende schaffte er es kaum noch die Mistgabel hochzuheben, selbst wenn er kaum noch Mist drauf legte. Deshalb war er diesmal froh als die Arbeit vollrichtet war und er den Dienst quittieren konnte.
Danach war er zu müde noch über den Markt zu gehen, der sich ohnehin bereits teilweise im Rückbau befand für all jene aus dem Umland, die nur einen der zwei Tage blieben und noch vor Einbruch der Nacht zu Hause ankommen wollten. Zurück zu seinem Vater wollte Ismar aber noch weniger. Es verspürte keine Lust ihm über den Weg zu laufen und zudem wollte er seine Schuld begleichen. So ging er zu Haman, weil er dort auch im Sitzen Arbeit fand.
„Ah, Ismar, gut dass du kommst. Es gibt viel Arbeit, wie du siehst.“ Haman war bester Laune und konnte sich nicht über mangelnde Kundschaft beklagen. Viele Reisende wünschten neue Hufeisen für ihre Pferde, gaben Bestellungen auf oder wünschten Reparaturen, die sie dann später im Jahr abholen würden.
„Kannst du Holz nachlegen?“ Haman schenkte Ismar nur kurz Aufmerksamkeit, weil er nicht wusste, was er zuerst tun sollte.
„Pfff“, stöhnte Ismar. „Ich war eben bei Michel.“ Obwohl er seine Arme kaum mehr spürte legte er einige Scheite Holz nach.
„Der kann nicht viel Arbeit für dich gehabt haben“, scherzte Haman, „so viele Pferde, wie bei mir sind, muss der Stall bei ihm leer sein.“
„Caspar ist von einem Pferd getreten worden“, berichtete Ismar.
„Oh, schlimm?“ Haman hielt erschrocken inne. Caspar war sein Cousin. Die Beiden neckten sich zwar ständig, wenn sie sich sahen, aber sie standen sich trotzdem sehr nahe.
„Michel meint er würde wieder ganz der Alte werden.“ Die Flammen nahmen sich rasch dem nachgelegten Holz an.
„Sieht ihm auch ähnlich sich einen Pferdekuss einzuhandeln, um ein paar Tage den faulen Lenz mimen zu können“, lachte Haman ohne ganz seine Sorgen aus seinem Ton fernhalten zu können. „Und du durftest das dann auch noch ausbaden. Da hast du dir aber einen ungünstigen Tag ausgesucht.“
„Vater hat mir wieder eine Geldstrafe auferlegt“, murrte Ismar. Wie selbstverständlich ging Ismar hinter einen massigen Pult und kletterte auf einen für ihn zu großen Hocker.
„Ah, das ist eine gute Idee“, zeigte sich Haman erleichtert. „Dann kann ich endlich weiter arbeiten.“
Ismar nahm sich der anstehenden Kundschaft an. Etlichen passte es nicht, von einem Knaben bedient zu werden, aber wenn sie sahen, wie Ismar die Bestellungen niederschrieb, gaben sie meistens Ruhe. Nur selten war es nötig, dass Haman bestätigte, was Ismar sagte, damit sich die adlige Kundschaft fügte. Ismar hatte für sich Preislisten angefertigt und konnte abschätzen, was Haman direkt erledigen konnte oder bis wann etwas fertig sein konnte. Wenn er sich nicht sicher war, fragte er Haman, der sich nun fast vollständig auf seine Arbeit konzentrieren konnte.
Besonders die Boten freuten sich über Ismars Anwesenheit, weil ihre Wartezeit deutlich verkürzt wurde. Auf Wunsch schrieb er ihnen sogar eine Bestätigung der Bestellung mit Preis und Datum der Fertigstellung. Dieser Dienst hätte Haman ihnen niemals gewähren können.
Ismar war froh diesmal im Sitzen arbeiten zu können und wurde sich abermals bewusst, warum es gut war so viel zu lernen.
„Entschuldigen sie, werter Herr“, schmeichelte ein Mann in einfacher Arbeitskleidung Ismar.
Ismar blickte lächelnd auf. Es war längst Abend und der letzte Kunde war schon eine Weile weg und Ismar war dabei die Einnahmen abzuschätzen und die Bestellungen beiseite zu legen. Morgen würde er Haman alles vorlesen, weil dieser kaum schreiben und nur sehr schlecht lesen konnte.
„Wie kann ich behilflich sein?“ Ismar machte von seiner guten Erziehung gebrauch.
„Es ist ein wenig kompliziert“, sprach der Mann mittleren Alters um den heißen Brei. „Vielleicht ist es besser ich rede direkt mit Haman.“
Wahrscheinlich wollte der Mann einen Freundschaftsdienst, wollte aber gleichzeitig nicht derjenige sein, der Haman bei der Arbeit störte und hoffte, dass Ismar dies für ihn übernahm.
Ismar war das einerlei und so ging er mit dem Mann hinüber zum Amboss, wo Haman, völlig in seinem Element, auf ein Stück Eisen eindrosch.
„Haman, hier ist jemand der dich sprechen möchte.“
„Moment.“ Das Stück war noch rot glühend und ließ sich leicht formen, und er wollte die Hitze nicht vergeuden. Nach zweidutzend Schlägen legte er das Stück zurück in den Owen und drehte sich mit von der Hitze gerötetem Gesicht um.
„Oh, Bechtol, altes Haus, dich habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wie laufen die Geschäfte?“
„Ehrlich gesagt, ging es schon besser. Jetzt da sie den Wald im Norden der Stadt roden, will kaum einer mehr das Holz aus dem Westen, wo ich die Lizenz zum Holzfällen habe. Es ist mit einem Tagesmarsch zu weit entfernt. Es lohnt nur für das gute Bauholz, da es besser ist als die jungen Bäume im Norden.“
„Und wie kann ich dir helfen?“
Ismar konnte Haman ansehen, dass sie gute Freunde waren.
„Ich musste mir einige zusätzliche Pferde zulegen, weil keiner mehr bereit ist, das Holz selbst holen zu kommen.“
„Dann brauchst du wohl Hufeisen?“, mutmaßte Haman.
„Ja, vier Tiere sind vom letzten Jahr und hatten noch gar keine und bei zwei weiteren sollten die Beschläge erneuert werden.“
„Das ist kein Problem. Ich nehme an du möchtest, dass ich deswegen zu dir komme, damit du mit diesen lahmen Gäulen nicht herkommen musst.“
„Das wäre prima aber nicht wirklich nötig. Mein Problem ist, dass ich kein Geld mehr habe. All mein Besitz steckt nun in den Tieren.“
„Aber Bechtol, du kannst jederzeit bei mir anschreiben, das weißt du doch.“
„Das werde ich dir nie vergessen!“ Bechtol war mehr als erleichtert und es war ihm anzumerken, dass er nur widerwillig zum Schuldner wurde.
„Warum so kompliziert?“, meldete sich Ismar zu Wort.
Bechtol sah Ismar verwundert an. Er war es wohl nicht gewohnt von einem Jungen im Gespräch unterbrochen zu werden, doch scheinbar machte es Haman nichts aus, und überrascht war er wohl auch nicht.
„Haman, bei den Unmengen an Holz die du brauchst, kann Bechtol dich gleich damit bezahlen.“
Bechtol machte große Augen. „Natürlich, daran hatte ich gar nicht gedacht.“
Auch Haman nickte eifrig und klopfte Ismar anerkennend auf den Kopf. „Oft scheinen die komplizierten Lösungen einfacher zu sein, weil es kompliziert ist, die einfachen Lösungen zu finden.“ Das war einer von Hamans Lieblingssprüchen, wenn er sich unnütz Mühe gegeben hatte.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht zog Ismar von dannen. Es war Zeit, dass er zu Hause einkehrte, sonst würde es nochmals Ärger geben. Derweil blieb Bechtol bei Haman und ging ihm so weit er konnte zur Hand. Haman hatte ihm für die Nacht ein Quartier angeboten, aber er musste noch bis zum letzten Licht des Tages arbeiten, weil Morgen Einige ihre Bestellung abholen kamen, bevor sie abreisen würden.

Veröffentlichte Romane





Kopfsprung ins Leben

Theo ist der jüngste Spross einer erfolgsverwöhnten Familie. Demnach selbstverständlich ist es für ihn, sich und seinen Studienabschluss gebührend zu feiern. Doch im Rausch dieser Party beginnt er sich Fragen zu stellen und die Fassade, die für ihn das Leben darstellt, beginnt zu bröckeln.
Jane, seine Putzfrau, bringt ihn ungewollt auf eine Idee. Er möchte Bedeutung für sein Leben, und ist selbstsicher genug zu glauben, diese während einer simplen Reise zu finden.
Doch was er findet sind Antworten auf Fragen, die er nie gestellt hat. Er beginnt zu verstehen, dass es jenseits seines Tellerrandes mit dem goldenen Löffel eine andere Welt gibt, und er muss sich dort Herausforderungen stellen, die ihm bisher fremd waren.
Das Buch ist ab sofort erhältlich bei Epubli, in der Buchhandlung ganz in ihrer Nähe. Eine Leseprobe sowie das Ebook gib es bei Neobooks.

ISBN: 978-3-7467-5658-5

Flucht aus dem Morgengrauen

«Willst du die Welt bereisen, musst du erst dich finden, die Vorstellungen der Menschen in den Schrank stecken, und deine Neugier in deinen Koffer»
Zitat des Protagonisten.




Klappentext:

Die ihm an den Kopf geworfenen Formeln lassen den Studenten daran zweifeln, die Welt zu verstehen. Auch deshalb stürzt er sich in das ihm angebotene Abenteuer einer Weltreise. Eine Journalistin samt Millionär verschreiben sich während dessen der zielgerichteten Fortbewegung, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wieso sie dies wollen. Mit jedem Tag, den sie mehr scheitern, verblassen die Ausreden und Selbsttäuschungen, die ihren einzigen Antrieb darstellen. Als Begleitung drängen sich die Vorstellungen und Werte einer Gesellschaft auf, die sich bald schon abwendet. Im Gepäck nichts als Illusionen, nicht erfüllbare Erwartungen und den Fluch ihres bisherigen Lebens. Deshalb kommt es, wie es kommen muss. Sie laufen weg – vor sich selbst und der Welt ...

Mehr rund um das Buch samt findet ihr in dieser Leseprobe erhältlich bei Epubli oder in der Buchhandlung ganz in ihrer Nähe.

ISBN: 978-3-7375-6327-7


Busfahrt / Zur tanzenden Kegel

Eine Busfahrt ist normalerweise eine eintönige Angelegenheit. Nicht so für den Protagonisten dieser Novelle. Minutiös registriert er seine Umgebung, nimmt Menschen wahr, die ihn auf seine Fahrt begleiten. Detailliert schildert er seine Eindrücke und selbst das Kleinste bleibt ihm nicht verborgen. Oft tiefgründig erzählt und manchmal auch zum Schmunzeln. Eine Busfahrt, eine Reise durchs Leben. Stellen Sie sich vor, Sie sehen Schulfreunde wieder, die Sie viele Jahre lang nicht mehr sahen. Ein Klassentreffen. Was ist aus ihnen geworden? Was geht in diesen und Ihnen vor? Was denken und fühlen Sie? Einige waren Freunde, manche verhasst. Folgen Sie dem Protagonisten in eine Gaststätte, lauschen Sie den unterhaltsamen und manchmal philosophischen Gesprächen von Sophie, Pauline, Felix, Sebastian und einigen mehr. Vielleicht erkennen Sie sich wieder.

Erhältlich u.a. bei: beim Epubli oder in jeder gut sortierten Buchhandlung ISBN: 978-3-7418-3498-1

Buchbeschreibung: Exposee Busfahrt Exposee zur tanzenden Kegel inklusive viele weitere Kurzgeschichten.

Leseprobe: Busfahrt Zur tanzenden Kegel

Kinderschrei

11:55, notierte die Krankenschwester auf ihrem Blog. Ein Schrei und schon ging das Rennen los. Im Kreißsaal war der Start erfolgt und sein Leben versprach reich an Jahren zu werden. Ein ganzes Jahrhundert, wenn das Glück ihm hold sein würde. Doch davon wusste es nun noch nichts.
Erst einmal Schreien war angesagt, während andere bereits die Weichen setzten, für ein erfülltes und frohes Leben. Wobei, voll und erfolgreich würde es besser treffen.
Aber genug davon. In drei Jahren musste es sich bereits gegen Altersgenossen behaupten. Ausbildung ist wichtig – Existenzbedingung. So sahen es die Werte der Menschen. Blind beachteten diese nur die Besten und waren dann noch auf diese neidisch. Andere gab es dann nicht. Der Zweitbeste, wie das schon klang. Irgend so einer aus der Provinz, dessen Arbeit man nicht schätzen musste, und dass er ein Mensch war, was zählte das schon. Man musste sich beweisen, behaupten, Werte erreichen. Und die Latte war hoch, schließlich war der Zweitbeste erster der Verlierer.
Hart war es schon, aber was sollte man tun: Wer glücklich sein will, muss Geld haben. Glück kauft man. Im Supermarkt der Kilopreis: unbezahlbar. Deshalb auch wollten die Menschen immer mehr. Millionen, sie reichten nicht. Nur wenige Gramm vergänglicher Zufriedenheit gab es dafür. Vielleicht noch Lob, da man zu den Besten gehörte und tonnenweise Neid, Wut und böses Blut. Nur weil man die Werte der Menschen erreicht hatte, und diese so sein wollten, wie man war. Nur, sie waren es nicht.
Wie gut, dass der Balge noch nichts von diesen Gesellschaftswerten wusste. Aber bald schon würden sie fragen, die Nachbarn, die Bekannten. Und wie macht es sich? Lernt es auch gut?
Die mitleidigen Blicke, wenn es den Werten fern blieb, diesen menschgemachten, dem Maß aller Dinge. Dem einzigen Weg zum Glück. Nur, wenn das stimmte, warum hat man noch nie einen Menschen gesehen, der so glücklich ist, dass er zufrieden ist? Gab es derer nicht? Oder sah man sie nicht? Weil sie nicht nach Werten strebten? Weil sie nicht reich waren und nicht so viel Lärm machten? Nicht goldbehangen prahlten? Nein, das konnte nicht sein. Wo sollten sie ihr Glück denn finden, wenn nicht im Supermarkt? Etwa in sich selbst, wie einige Exzentriker manchmal behaupteten? Aber warum dann diese Werte?
Gut, dass keiner dem Kind solche Flausen in den Kopf setzte. Es würde seinen Weg schon gehen. Es war doch noch so jung. Vielleicht würde es die Latte gar schaffen und am Ende dann ins Geschäft gehen, als junger Mensch vielleicht schon. Freundlich, wohlerzogen: Ein Kilo Glück, bitte.
Und sollte es nicht schnell genug sein, nun, es hatte schließlich hundert Jahre zum laufen. Und allein musste es auch nicht rennen. So viele gab es, die es überholen wollten. Die einen beschämt, weil es zu langsam war, die anderen neidisch, weil sie nicht hinter her kamen.
Immer noch schrie das neugeborene Kind, während die Krankenschwester es hinaus trug, recht hatte es. Und vielleicht – wenn es Glück hatte – würde es in hundert Jahren sagen können, dass es wenigstens einen Tag wirklich gelebt hat.

Die Glaswand


„Samstag“, stand es groß und schwarz auf dem Kalender. Der Monat verriet teilnahmslos den Beginn des Frühlings, welcher sich noch hinter einer gräulich leuchtenden Wolkendecke versteckte.
Der Morgen war eben erst angebrochen, und begann wie die Tage davor, die Wochen, die Monate. Die Zahlen auf dem Kalender wechselten, ebenso wie die Akten auf dem Schreibtisch. Leblos lagen sie da, und zerrten den Mann an den Schreibtisch. Sie übten eine große Macht auf ihn aus und wirkten dennoch unschuldig.
Der Schreibtisch war bis ins kleinste Detail aufgeräumt. Die Lampe darauf glühte nicht, einzig das große Fenster spendete ein kaltes fahles Licht. Dennoch saß ein Mann davor, sinnend, und starrte auf die dicke Holzplatte. Er war noch müde und rieb sich das Gesicht, als könnte er seine Müdigkeit damit vertreiben. Doch sein Blick blieb kraftlos. Hilflos suchend, blickte er sich um. Er wusste nicht, wonach er suchte. Kurz blieb sein Blick an einem Foto haften. In seinem Kopf hörte er Vorwürfe, und wandte sich ab.
Es war Wochenende, doch das kannte er nicht. Er wollte arbeiten. Es galt die Akten zu wälzen, die für die nächste Woche fertig sein mussten. Aber er bewegte sich nicht. Er fand den Anfang nicht. Sein Erscheinen war makellos, sein Rücken gerade. So saß er da und sah aus, als würde er jeden Augenblick loslegen. Doch die digitale Uhr zerstückelte die Zeit in Zahlen, ohne dass sich etwas änderte. Widersprüchliche Gedanken hielten ihn in dieser Starre gefangen.
Die Wände waren an sich weiß, aber im matten Licht wirkten sie grau und kalt. Die weichen Ledersessel standen leicht verloren im großen Zimmer umher, und versuchten vergebens, den Eindruck von Luxus zu verteidigen. Doch die Welt bekam Risse. Die Illusionen verblassten mit der Zeit. Er hatte hart für all das gearbeitet. Viele hatte er damit beeindrucken können, gar sich selbst, doch nun erdrückte es ihn mit seinem kalten Glanz. Er hörte seine Frau nach ihm rufen. „Gleich, ich muss nur noch kurz“, hörte er sich antworten und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Nur kurz, doch daraus waren Jahren geworden. Nun war er allein, weil sie nicht gewartet hatte.
Der Mann hatte seinen Kopf in seine Hände sinken lassen und hielt sich mit ihnen die Ohren zu, als wollte er die Schreie ersticken, welche nur er hören konnte. Sie schrien nach ihm, als wollten sie ihm etwas sagen. Doch er wusste, was diese Stimmen sagen wollten, und er wollte es nicht hören. Was wussten die schon – diese rastlosen Stimmen, die ihn auch in seinen Träumen verfolgten.
Sie wollten ihn bremsen. Voller Neid waren sie wegen seinem Erfolg. Kein Wunder, dass sie so verzweifelt schrien.
Das fahle Licht, das von den Wänden zurück geworfen wurde, ließ ihn alt erscheinen. Sein Rücken war dem Fenster zugewandt, und so konnte er nur in den endlosen Raum hineinstarren. Doch den sah er längst nicht mehr. So viel hatte er erreichen wollen, so viel hatte er erreicht, und doch war ihm alles verloren gegangen. Alles was ihm geblieben war, war grau und kalt. Die Akten waren ihm treu geblieben und verlangten nun, dass er sich ihrer annahm.
Dach dann stand er auf. Langsam, als wäre er ein alter Mann. Sein Gesicht verzerrte sich zu einem tonlosen Gähnen, während er seine Arme auseinanderriss, als versuche er, aus seinem Körper auszubrechen.
Er drehte sich um und stand gleich vor dem Fenster, welches bis an die weit entfernte Decke reichte. Viele Meter lang war dieses, und ersetzte eine ganze Wand.
Die Wolkendecke war stark durchflutet von Licht, und ließ den Himmel weiß erscheinen. Der Blick des jungen Mannes glitt langsam von einer Seite zur anderen. Die Bewegung war gleichmäßig, und er selbst unberührt von dem, was er sah. Geblendet von der gleichmäßigen Flut weißen Lichts, stand er da, leblos, wie der Raum hinter ihm. Nur die Uhr wechselte ihr Gesicht und verriet, dass die Zeit nicht stehen geblieben war. Draußen umrahmte eine Hecke die weite Wiese, in der einige Bäume standen. Endlich schien der Mann etwas zu bemerken. Ihm fiel auf, wie der Wind in den Ästen spielte.
Er hielt den Atem an, horchte, doch das Rascheln der tänzelnden Blätter fehlte. Er strengte sich an, doch er fühlte nichts. Es war ihm alles fremd, und so fern. Er versuchte sich zu erinnern, doch es blieb ihm verborgen. Die Welt da draußen, er hörte sie nicht, er fühlte sie nicht.
Nah am Fenster wackelte ein Ast. Ein Vogel, eben gelandet, trällerte sein Lied. Doch nur der Schnabel bewegte sich. Das Fenster schluckte jedes Geräusch. Stummfilm, sein Leben, es war draußen, ausgeschlossen. So fern und unerreichbar wie jedes Gefühl.
Wieder bewegte sich etwas. Ein Junge tanzte lachend auf dem Rasen. Wochenende, sein Sohn wusste das, und spielte mit dem Drachen. Ein Geschenk aus einer lange vergangenen Zeit.
Hoch flog er, lebhaft spielten sie. Der Drache, sein Sohn und der Wind. So wie er es getan hatte – früher – in einer anderen Welt. In einer, in der er den Wind noch gespürt hatte.
Es war nur mehr eine Erinnerung. Alleine stand er da, und starrte hinaus. Sinnend drehte er sich um, sah den Schreibtisch. Das Gesicht der Uhr schrie ihn an. Eine andere Stimme war es. Mächtig, beide kämpften, wie Teufel und Engel auf seiner Schulter. Wie hatte er das zulassen können? Warum waren ihm die Zeichen verborgen geblieben? Er hörte die Stimme seiner Frau nach ihm rufen. Anschreien tat sie ihn.
Doch nun war es zu spät. Sie und sein Sohn lebten ihr eigenes Leben. Sein Kopf sank gegen die Glasscheibe. Seine flache Hand legte er gleich daneben und es sah aus, als wollte diese durch die Scheibe hindurch greifen. Doch er war zu schwach. Wütend verzog sich seine Hand zu einer Faust und pochte zweimal gegen das Glas. Resignierend glitt sie nach unten, und er stieß sich ab. Dann zog er seinen Stuhl hervor und setzte sich. Wahllos nahm er eine Akte in seine Hand. Welche, war bedeutungslos.

Ismars Strafe

An diesem Wochenende war Monatsmarkt. Ismar mochte diese Tage, anders als bei den üblichen Wochenmärkten kamen auch Handwerker und Händ...